Vorbereitung
Hintergrundwissen
Für die Durchführung bedarf es einer Einordnung des Phänomens Hate Speech im Internet. Hate Speech und Diskriminierungen online entlang von persönlichen Merkmalen wie Hautfarbe, Geschlecht oder sexueller Orientierung sind oft nicht weniger entwürdigend und verletzend als verbale Angriffe in der physischen Welt. Dennoch werden sie oft als weniger gefährlich eingeschätzt, weil es sich etwa nur um ironische oder um medial vermittelte Nachrichten und Kommentare handelt. Doch online wie offline verstärken Hasskommentare eine Kultur der Abwertung, in der das Argument der Meinungsfreiheit zur Rechtfertigung der Angriffe genutzt wird. Folgende Ressourcen können zur Vertiefung des Themenfeldes herangezogen werden:
- No Hate Speech Movement: Wissen, (zuletzt abgerufen am 01.12.2020).
- Amadeu Antonio Stiftung: Was ist Hate Speech, (zuletzt abgerufen am 01.12.2020).
Technik
Für die Umsetzung dieser Methode wird keine technische Ausstattung benötigt.
Material
Die Methode erfordert von den Teilnehmenden eine Positionierung im Raum, die in vier verschiedenen Ecken vier Positionen erlaubt. Die vier Positionen sind so beschaffen, dass sie alle möglichen/wahrscheinlichen Reaktionen abdecken. Es sollte jedoch erklärt werden, dass die Position „Ich reagiere auf die Diskriminierung“ zwei Dinge bedeuten kann: Es kann heißen, 1) auf die diskriminierende Person oder 2) auf die diskriminierte Person einzugehen. Das Ausdrücken von Verständnis und Solidarität gegenüber der diskriminierten Person ist eine Handlungsoption, die nicht selten vernachlässigt wird und mit der Methode konkret angesprochen werden sollte.
Die Position „Ich melde das Verhalten.“ beinhaltet sowohl die Meldung bei einer Lehrkraft, die Meldung bei der Polizei oder auch die Nutzung der Meldefunktion auf einer digitalen Plattform. Im Zusammenhang mit der Meldung bei der Polizei sollte vermittelt werden, dass Hate Speech in vielen Fällen strafrechtlich relevant ist, also angezeigt werden kann (die Erfahrungen leider aber auch zeigen, dass die Ermittlungsbehörden diesen Straftatbeständen häufig nur halbherzig nachgehen.) Nähere Informationen dazu sind unter dem oben angegebenen Link zur Website des No Hate Speech Movements zu finden.
Bei der Auswahl von Szenarien bieten sich zwei Möglichkeiten an: 1) Fälle von Hate Speech auf den sozialen Medien und 2) Diskriminierungen in der physischen Welt. Wir legen in dieser Methode den Fokus auf Online-Welten, integrieren aber in der Regel auch mindestens ein Offline-Szenario.
- Vier ausgedruckte/aufgeschriebene Reaktionen als Poster für die Positionierung:
- Ich tue nichts.
- Ich positioniere mich gegen die Diskriminierung.
- Ich melde das Verhalten.
- Ich zeige eine andere Reaktion.
- Vorbereitete Szenarien (mit Beamer projiziert oder vorgelesen):
- Im Klassenchat wird ein Junge, mit dem du befreundet bist, von zwei Mitschülern beschimpft, weil er sich als schwul geoutet hat. Daraufhin verlässt er den Chat und kommt am nächsten Tag nicht in die Schule. Was tust du?
- Ein Junge aus Syrien kommt neu in die Klasse. Er ist schüchtern, aber sehr nett zu allen. Ein paar Jungs aus eurer Klasse machen sich über sein Deutsch lustig und haben einen abwertenden Witz über seine arabische Herkunft als Kommentar unter einen seiner Instagram-Posts gemacht. Wie reagierst du?
- Unbekannte beschimpfen regelmäßig deine Lieblingssängerin, indem sie frauenfeindliche Kommentare wie „du bist hässlich“ und „welcher Mann sollte dich jemals wollen, wenn du dich so offen zeigst?“ unter ihre YouTube-Videos posten. Was tust du?
- Du hast gehört, dass eine Schülerin aus deiner Schule auf dem Heimweg sexuell belästigt wurde. Du hast eine Vermutung, wer es war, aber du hast Angst was zu sagen, weil du selbst angegriffen werden könntest. Was tust du?
Durchführung
Einführung und Wissensabfrage (Plenum)
Die anleitenden Personen führen in das Thema Hate Speech ein und fragen die Teilnehmenden nach ihren Erfahrungen mit Hate Speech und Diskriminierung online. In der Regel sind allen Fälle bekannt und es gibt einen großen Bedarf an Austausch unter Jugendlichen. Inwieweit die Teilnehmenden ihre persönlichen, oft belastenden Erfahrungen teilen wollen, hängt vom Setting des Workshops, dem dafür nötigen Raum und den bestehenden Gruppendynamiken ab. Es ist für diese Methode genauso wertvoll, Erfahrungen Dritter zu benennen. Für die Positionierung werden bevorzugt diese von Teilnehmenden genannten Beispiele genutzt, da sie bereits angesprochen wurden und darum relevant sind. Falls die Erfahrungen nicht passend sind oder noch andere Szenarien besprochen werden sollen, können Beispiele aus dem Material übernommen oder angepasst werden. Die Beispielszenarien sind nach unserer Erfahrung für viele Kontexte passend, bedürfen aber je nach Gruppe gegebenenfalls kleiner Umformulierungen.
Positionierung
Nach dem einführenden Erfahrungsaustausch bringen die anleitenden Personen in vier Ecken/Positionen im Raum die Antwortmöglichkeiten (siehe Material) an und erklären kurz den Ablauf der Methode. Zu Beginn stehen alle Teilnehmenden verteilt im Raum, während die anleitende Person das erste Szenario vorstellt. Dann haben alle die Gelegenheit, sich bei einer Antwort oder zwischen zwei Antworten zu positionieren. Ein Wechsel der Position ist jederzeit möglich. Wenn alle eine Position gefunden haben, fragen die Teamenden Einzelne auf verschiedenen Positionen, warum sie diese Position gewählt haben und ob sie ihre Reaktion erklären möchten. In der möglicherweise aufkommenden Diskussion ist es die Aufgabe der Teamenden, zu moderieren und verschiedene Reaktionen einzuordnen. Gerade die Reaktion „ich tue nichts“ kann leicht negativ bewertet werden, ist aber in realen Situationen eine häufig gewählte Reaktion und es sollte eher der Frage nachgegangen werden, was die Teilnehmenden ermutigen würde, proaktiv zu reagieren.
Nach unserer Erfahrung ist es ausreichend, fünf Szenarien zu besprechen, bei längeren Diskussionen sind drei auch oft schon ausreichend.
Auswertung (Plenum)
Die Auswertung im Plenum dient dazu, die Positionierungen und Diskussionen zu reflektieren und die Teilnehmenden in einer solidarischen Zurückweisung von Hate Speech zu bestärken. Das Ausprobieren, Üben und Erfahren der Reaktionen kann den Teilnehmenden neue Handlungsmöglichkeiten eröffnen und Unsicherheiten abbauen. Die abschließende Reflektion kann entlang folgender Leitfragen geschehen:
- Welche Diskussion ist euch im Kopf geblieben?
- Werdet ihr in Zukunft anders auf Hate Speech reagieren, wenn ihr sie online seht?
- Wie kann die Gesellschaft erreichen, dass Hate Speech eingedämmt wird?