Wie werden Jugendliche online mit rechtsextremen, islamistischen und antisemitischen Inhalten angesprochen?

Was genau sind medienpädagogische Workshops zur Prävention von Online-Radikalisierung? Worum geht es beim Projekt AntiAnti?

AntiAnti ist ein Projekt von mediale pfade.org – Verein für Medienbildung e.V.. Es wird seit 2018 von der Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie finanziert. Seit 2024 wird das Projekt auch in Brandenburg durchgeführt und vom Ministerium für Bildung, Jugend und Sport finanziert.
Das Projekt wurde 2022 mit dem Dieter Baacke Preis der Gesellschaft für Medienpädagogik und Kommunikationskultur (GMK) ausgezeichnet.

Ziel des Projekts ist die Universal- oder Primärprävention in den Bereichen Rechtsextremismus, Islamismus und Antisemitismus: Jugendliche und junge Erwachsene können bei uns Kompetenzen erwerben, die sie davor schützen, auf die (Online-) Angebote rechtsextremer beziehungsweise islamistischer Akteur*innen einzugehen und antisemitische Ressentiments zu verinnerlichen. Dieser Ansatz der Radikalisierungsprävention kann keine Deradikalisierung (Sekundär- und Tertiärprävention) leisten, doch wir können auf Anlaufstellen und geeignete Projekte verweisen.

Was ist Radikalisierung?

Der PRIF Report des Leibniz-Instituts Hessische Kulturstiftung Friedens- und Konfliktforschung versteht „Radikalisierung als die zunehmende Infragestellung der Legitimation einer normativen Ordnung und/oder die zunehmende Bereitschaft, die institutionelle Struktur dieser Ordnung zu bekämpfen.“ (Quelle: PRIF Report 05/18, S. 5). Radikalisierung wird hier prozesshaft und funktional verstanden, während normative Konnotationen bewusst herausgelassen werden.

Denn Radikalisierung ist zunächst kein problematischer Vorgang: Beispielsweise ging auch der Einführung des Frauenwahlrechts ein Radikalisierungsprozess voraus, der heute als selbstverständlicher Bildungsprozess angesehen wird. Die Infragestellung demokratischer Werte sowie autoritäre und menschenverachtende Einstellungen sind allerdings deutliche Anzeichen für eine problematische Radikalisierung

Wieso Online?

Zwischen Online- und Offline-Radikalisierung kann keine harte Grenze gezogen werden, denn Radikalisierungsprozesse sind typischerweise eine Kombination aus beiden. AntiAnti fokussiert sich vor allem auf jene Radikalisierungsangebote, die in digitalen Räumen wie zum Beispiel sozialen Medien (TikTok, Instagram, YouTube) stattfinden. Diese spielen eine immer größer werdende Rolle in den Alltagswelten Jugendlicher und junger Erwachsener und sind in den MIttelpunkt der Strategien von Akteur*innen aus dem rechtsextremen und islamistischen Milieu gerückt. Eine ausführliche Besprechung findet sich in unserem Dossier “Mechanismen der Online-Radikalisierung”.

Unser Ansatz

Jugendliche und junge Erwachsene sind sogenannte digital natives: Soziale Medien und Online-Ressourcen sind für sie zu Hauptquellen für Nachrichten und Meinungsbildung geworden. Meistens tun sie das allein am Smartphone oder gemeinsam mit ihren Peers. Daher ist es wichtig, dass sie sich in diesem Umfeld kompetent und informiert bewegen. 

Die erste Säule unserer Arbeit ist aus diesem Grund Medienkompetenz: Wir unterstützen Jugendliche dabei, einen selbstständigen und kritischen Umgang mit Plattformen und ihren Funktionsweisen zu entwickeln. Wir nutzen Methoden der aktiven Medienarbeit mit dem Wissen, dass die Jugendlichen selbst Expert*innen der Mediennutzung sind.

Die zweite Säule ist politische Urteilskraft. Rechtsextreme und islamistische Agitation kann nur erkannt werden, wenn politische Positionen und Begriffe verstanden und eingeordnet werden. Politische Bildung sensibilisiert für gesellschaftliche Debatten und versetzt die Lernenden in die Lage, eine eigene Position zu finden und selbstbestimmt mitzudiskutieren.  Mit unserem Angebot sensibilisieren wir für die Komplexität von wichtigen gesellschaftspolitischen Themen wie Diskriminierung, Identität und Zugehörigkeit, indem die Erfahrungen, Standpunkte und Unsicherheiten der Teilnehmenden pädagogisch angeleitet diskutiert werden. 

Die dritte Säule ist ein anerkennend-hinterfragender Zugang zu der Zielgruppe. Dies beinhaltet das Vertrauen in die Jugendlichen in der Lebensphase der Neuorientierung und Neugierde. Unsicherheiten und offene Fragen gehören dazu und es braucht den Raum, diese äußern und reflektieren zu können. Anstatt eine Person aufgrund einer problematischen Aussage zu verurteilen, sollte diese hinterfragt werden und die Gesamtheit der Person dennoch Anerkennung erfahren. Die Grenze dieses Ansatzes und damit auch unserer Bildungsarbeit ist dort, wo eine Person ein geschlossenes Weltbild angenommen hat und sich abgrenzt. An dieser Stelle können wir an entsprechende Anlaufstellen verweisen.